Sonntag, 9. April 2017

Heute kein Motto

28.3.2017

Heute kein Motto

Es ist ein wunderschöner Tag geworden und auch gestern war es draußen richtig schön. Das erste Grün an den Bäumen wird immer mehr und es tut gut draußen zu sein. Das ist allerdings schwer, wenn man berufstätig ist. Gestern war ich ja beim Röntgen.  Ich hörte in der Firma ziemlich bald auf, weil der Termin um 16 Uhr war und ich pünktlich dort sein wollte. Ich hatte das Glück, das dort keiner  vor mir dran war und kam sofort dran. Nach dem Röntgen musste ich noch ein paar Minuten auf die CD mit den Aufnahmen warten. Dann konnte ich auch schon wieder nach Hause fahren.
Ich war ja gestern das erste mal geschminkt und mit Lippenstift in der Firma, so war ich natürlich auch beim Röntgen. Es wundert mich irgendwie schon, das es keinem auffällt, oder ist die Welt da draußen auf einmal so tolerant geworden? Ich sitze im Büro und bin einigermaßen erstaunt darüber. Schauen die Kollegen einen nicht an, wo ihnen denn sonst nichts entgeht? Oder hält die Werbung bei Nude tatsächlich was sie verspricht - natürliches aussehen wie ungeschminkt?
Heute kommt nochmal ein Päckchen mit Make-up und ein paar anderen Sachen. Das ich mich einmal so stark für diese Dinge interessieren würde, war mir vor ein paar Jahren noch unklar. Da wusste ich zwar das ich anders bin, wollt mir aber nicht eingestehen, das ich Transident bin. Aber das weiß ich jetzt  und Andrea verfolgt nun ihren eigenen Plan und geht die nächsten Schritte. Am Donnerstag dieser Woche bin ich wegen der Fersen wieder bei meiner Hausärztin. Ich tippe, nachdem ich mir die Röntgenbilder auf dem Laptop angesehen habe schwer auf Fersensporn auf beiden Seiten. Insgeheim hoffe ich natürlich das sich die Ärztin in der Zwischenzeit etwas schlau gemacht hat und mir etwas Neues sagen kann, was mich betrifft. Irgendwie war das Thema Transidentität gestern Nachmittag wie befreit, nur Abends kam die Traurigkeit zurück. Da mich diese Achterbahn der Gefühle ziemlich fertig macht, war ich schon recht früh am Abend sehr müde und ich bin beim Fernsehen eingeschlafen. Gegen Abend fragte mich meine Frau, ob  ich die Körpermilch, die wir vor fast zwei Wochen gekauft hatten schon einmal probiert habe. Ich lachte und sagt klar, die wird schon bald leer. Das konnte sie kaum glauben und so zeigt ich ihr mein Beine, die deren Haut deutlich besser war wie zuvor. Ich nehme die, wie schon geschrieben sehr ausgiebig jeden Tag. Durch das Make-up braucht mein Gesicht jetzt abends auch mehr Pflege wie früher. Auch wenn ich es jetzt erst ein paar Tage mache, fühle ich mich ungeschminkt nicht mehr so wohl, und auch diel Lippen fangen an, den Lippenstift zu vermissen, wenn ich ihn nicht drauf habe. Ich frage mich langsam, wie weit will ich gehen, ehe ich mit meiner Frau rede, bevor sie es entdeckt. Leider habe ich darauf noch keine Antwort gefunden. Von der Beratungsstelle ist auch noch kein E-Mail gekommen. Wie kann das sein? Normalerweise wendet man sich doch dorthin, wenn man ein ernsthaftes Problem hat. Und man erwartet, das man in solchen Fällen zeitnah eine Antwort egal in welcher Form erhält. Ich hatte ja in meiner 2. E-Mail darum gebeten, mir wenigstens mitzuteilen, ob man meine E-Mail erhalten hat, aber nicht einmal darauf hat man geantwortet. Und ehrlich gesagt, ich bräuchte schon einmal eine Gelegenheit mit jemanden darüber zu sprechen, da alles für mich ziemlich kompliziert und neu ist. Irgendwie bin ich auch etwas ungeduldig geworden, das liegt wohl daran, das ich so lange mich selbst mehr oder weniger erfolgreich ignoriert und verdrängt habe. Leider war das schon bei vielen Sachen früher so, das ich unangenehme Dinge gerne hinausgeschoben habe, aber bei den beruflichen Herausforderungen habe ich mich schon lange umstellen können und erledige alles gleich.
Seit Anfang der Woche lebe ich ja auf Diät. Das Projekt dünner Bauch ist recht schwer, aber es muss einfach sein. So lebe ich jetzt mittags von einem Apfel und esse morgens und abends nur noch eine Scheibe Brot. Und die ist auch deutlich kleiner geworden als früher. Was mir nebenbei so an mir auffällt ist, das ich mich im Gesicht mit einem Taschentuch nur ganz vorsichtig abtupfe, wenn ich den  Apfel esse, ich will das Make-up ja nicht verlieren und nachschminken im Büro oder auf der Toilette ist kaum möglich. Was man  plötzlich für neue Probleme hat... Während ich dies schreibe lehne ich mich oft zurück und denke über mich nach. Dann kommen wieder kurz Selbstzweifel ob es richtig ist diesen Schritt zu gehen und wie die Zukunft werden wird, dann suche ich wieder mit dem Smartphone im Internet alles über mein Lieblingsthema und bin seltsam beruhigt, wenn ich lese das es anderen auch so geht. Dennoch stelle ich mir immer wieder die Frage was bin ich, was will ich sein, was wäre wenn? Und ich komme immer wieder zu den gleichen Antworten, wenn ich tauschen könnte - sofort, wenn ich vor die Wahl  gestellt würde, wenn ich nochmal auf die Welt käme - als Mädchen, wie ich im Himmel sein wollte - als Frau, wie ich mich fühle in meinem männlichen Körper - unzufrieden, zutiefst unzufrieden, wenn ich ihn tauschen könnte - sofort. Wenn ich auf meine Kolleginnen blicke schaue ich auf sie mit etwas Neid und Wehmut. Ich weiß nicht ob ich weiblich denke, das kann einem keiner sagen, wer weiß das schon. Ich weiß aber, dass ich viel besser eine richtige Frau geworden wäre. Ich weiß, das ich auf alles, was Frauen machen können neidisch schaue, auch wenn ich manche nicht gerne mache. Ich wünsche mir einfach, dass mich die Welt da draußen als richtige Frau sieht. Ich wäre gerne schon so weit und trauere den verlorenen Jahren etwas nach. Klar gibt es viel in meiner Vergangenheit was ich nicht missen möchte, aber das betrifft nicht mein Hauptproblem.
Im Moment mache ich mir wirklich Gedanken, warum ich kein E-Mail von der Beratungsstelle erhalte. Ich frage mich das den ganzen Tag und schaue ständig auf mein Handy. Mir fehlt leider ein Mensch mit dem ich darüber reden kann, der mir etwas weiter helfen kann. Was mich total fertig macht ist dass ich ständig so nervös bin, dann wieder euphorisch und bald wieder traurig. Dieses ständige auf und ab der Gefühle, dies Achterbahnfahrt ohne Stopp nimmt mich ganz  schön mit und auch wenn ich nach außen hin versuche ganz normal zu sein, so merke ich doch, das ich hauptsächlich nur noch funktioniere. Bei fast allem was ich tue schweife ich gedanklich ab und mache mir alle möglichen Gedanken. In der Arbeit kann ich mich nicht mehr richtig konzentrieren. Zuhause wirke ich, so glaube ich, oft abwesend. Und gleichzeitig bin ich ständig auf der Suche nach mir. Leider hört meinen stummen Schrei nach Hilfe niemand. Kann man da, darf man da verzweifeln? Mein kleiner Lichtblick oder Hoffnungsschimmer ist der Termin bei meiner Hausärztin.


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