Hallo Welt!
Ich habe beschlossen über meinen transsexuellen Weg zu schreiben. Die folgenden Seiten habe ich alle seit Ende Februar 2017 handschriftlich verfasst. Eine gute Freundin hat mir aber die Anregung gegeben, das dies vielleicht eine Hilfe für andere sein könnte und so werde ich dies nun alles in diesem Blog nieder schreiben.
26.02.2017
Die Suche nach mir selbst
Nichts beschäftigt mich mehr als die Suche nach mir selbst.
Eine Suche nach Identität, eine Suche nach innerer Ruhe, einen Weg, bei dem ich
endlich eins sein kann mit mir.
Ständig kämpfe ich innerlich mit mir. Immer und immer wieder
kreisen meine Gedanken letztlich nur um ein Thema. Wer oder was ich bin. Bin
ich der Mensch, der mich im Spiegel ansieht oder der, der dahinter ist. Im
Spiegel sehe ich einen nicht mehr jungen Mann mit traurigem Gesicht. Mit
Haaren, die einst voller waren, noch ganz ohne graue Haare. Erste Falten und
Tränensäcke, Hände und Haut, die nicht besonders gepflegt sind. Wenn ich mich
ansehe merke ich, wie ich das Bild das ich abgebe ablehne. Das ich nicht sein will, was ich nach außen
hin bin, weil mein Innerstes anders ist und sein möchte und doch seit vielen
Jahrzehnten von mir unterdrückt und verleugnet wird. In all meinen Träumen und
Tagträumen, meiner Phantasie ist das anders. Da weiß ich, wer ich sein will,
wer ich bin. Ich habe keine bestimmte Vorstellung wie genau ich aussehe aber
ich bin eindeutig kein Mann, ich bin dort, so lange ich mich zurück erinnern
kann weiblich. Als Kind wollte ich ein Mädchen sein, später eine junge Frau,
heutzutage eine Frau. Ich merke gerade, wie schwierig es ist, das was in meinem
Kopf herumgeht hier aufzuschreiben, nicht weil mir das Schreiben an sich schwerfällt,
sondern weil mir zu dem Thema so viele verschiedene Dinge gleichzeitig durch
den Kopf durcheinandergehen und ich oft von hier nach dort und wieder wo anders
hinspringe und meine Gedanken gar nicht so schnell schreiben kann, wie ich
möchte, da der Kopf schon wieder meilenweit voraus ist, von dem was ich hier
schreibe. Es ist einfach so schwer. Könnte ich ohne Angst und Zwang so frei wie
ich es wirklich wollte entscheiden, ich wüsste sofort, was ich tun würde. Und das
ist nichts Anderes als seit vielen Jahren.
Ich habe gerade ein paar Minuten Pause gemacht ehe ich weiterschreibe.
Ich habe über meine Vergangenheit nachgedacht und mir sind Begebenheiten
eingefallen, an die ich mich schon lange nicht mehr erinnert habe. Vielleicht
gab auch das Email, das ich von einer Bekannten gestern erhalten habe den
Anstoß, dass ich mich daran erinnerte. (Sie erzählte mir, dass es in dem
kleinen Ort, in dem wir früher gewohnt haben, ein Paar gab, bei denen der Mann
transsexuell war und die GAOP hatte. Ich wusste dies aber nicht). Mir viel
wieder ein, das meine Mutter in meine Kindheit einmal erzählt hatte, das bei
uns in der Nähe der Bruder eines Mädchens als Frau lebte. Das kam damals in den
70ern absolut negativ herüber, wahrscheinlich weil man damals noch nicht so
aufgeklärt war. Das war jedenfalls der Ausschlag, dass ich mich, obwohl ich zu
der Zeit schon viel lieber ein Mädchen gewesen wäre und heimlich die Kleider
meiner kleinen Schwester angezogen habe und mit deren Puppen gespielt habe. Ich
wollte immer „normal“ sein und nicht ausgelacht werden oder nicht gemocht
werden war keine Perspektive für mich. So blieb das alles im Verborgen. Ich
wuchs damit auf, bei jeder sich mir bietenden Gelegenheit, Kleider anzuziehen.
Auf unserem Dachboden fand ich auch in Kleidersäcken genügend Nachschub und
auch meine ersten Feinstrumpfhosen, die mein Mutter wohl getragen hatte und
ungewöhnlich haltbar waren. Ich wurde größer und irgendwann dachte ich, dass
das alles bestimmt in der für mich noch rätselhaften Pubertät weggehen würde
und ich dann zu einem Mann werden würde. Das geschah natürlich nicht. In einer
Zeitschrift, die meine Oma gekauft hatte las ich damals einmal einen Artikel
über die damals so genannt Umoperation . Ich war fasziniert davon, und hätte
dies eigentlich auch sehr gerne gemacht, aber durch zwei Operationen, die ich
als Kind hatte, bei der die zweite ziemlich schmerzhaft danach war, strich ich
auch diese Option. Außerdem hatte ich viel zu viel Angst mit jemanden über
meine Wünsche zu reden. Hätte ich damals meine Wüsche äußern können, wer weiß,
wie mein Leben verlaufen wäre. Nun darüber weiter nach zu denken bringt nicht
viel außer romantische Schwärmereien. Warum will ich eine Frau sein, warum will
ich weiblich sein? Eine schwierige Frage und eigentlich die falsche Frage. Weil
sie nicht das trifft, was mich ausmacht, weil ich nicht eine Frau, weiblich
sein will, sondern weil ich schon immer weiblich bin, nur eben mit falschem
biologischem Geschlecht und erzogen und sozialisiert als Mann. Mit dem Wissen,
das egal was ich tun werde nie echt weiblich sein werde, weil viele Erfahrungen
fehlen werden, die auf Grund meines Körpers nie passieren und weil ich weiß,
dass ich auch nie als 100% echte Frau durchgehen werde, egal wie sehr ich das
möchte. Ich weiß auch nicht, ob ich es
könnte offen als Frau zu leben, da ich nie die Gelegenheit dazu genutzt habe
oder die Gelegenheit dazu hatte. Wie kann ich etwas tun, was ich 50 Jahre nicht
gelernt habe? Stimme, Bewegung, Kleidung, Schminke das gehört dazu, nur darauf
kommt es mir im Grunde so sehr nicht an, davon mache ich meine Weiblichkeit
nicht abhängig, auch wenn ich mich in Frauenkleidung sehr wohl fühle. Und ich
merke auch, dass wenn ich mit meiner Frau zusammen einkaufen gehe, mir in der
Damenabteilung genau ansehe was mir gefällt und was ich gerne anziehen würde.
Ich möchte gerne eine richtige Frau sein – körperlich - zumindest so gut es
geht und das andere gehört halt zum normalen Frauenleben mit dazu. Wenn ich in
die Zukunft sehe, wir es allerdings realistischer Weise so sein, dass zuerst
das Leben in Frauenkleidung kommt und dann die körperliche Anpassung. Ich habe
vor dieser Herausforderung einen höllischen Respekt, weil ich mich bislang nur
sehr eingeschränkt entfalten konnte, bestenfalls gerade einmal für ein paar
Stunden und im Grunde genommen überhaupt nichts weiß, außer dass es an der Zeit
ist mich endlich zu mir selbst zu bekennen. Ich habe schon oft mit mir selbst gerungen
und ich weiß das diese Zeit für alle Betroffenen wirklich schwer ist. Ich weiß
nicht wie ich anfangen kann, was ich tun kann und wo es hinführt. Bislang weiß nur
ich über mich Bescheid. Ich habe in den letzten Jahren und Monaten viel im
Internet gelesen, immer auf der Suche nach mir. Ich habe viele Blogs gefunden,
bei denen ich immer wieder mich selbst erkannt habe, vieles wo ich sagen musste
ja so geht es mir auch. Und ich bin froh das ich nicht alleine damit bin. Heute
weiß ich das, als Kind leider noch nicht. Im Moment weiß ich nicht wie ich
weiter mache. Ich habe auch Angst davor, es meiner Frau zu sagen, aber ich
weiß, dass ich nicht darumkommen kann. Nur wie ich das anstelle und was die
Konsequenzen daraus werden, das beschäftigt mich sehr. Aber ich habe für mich die Entscheidung getroffen, das
ich nicht mehr so weiter machen kann als bisher.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen