Dienstag, 6. März 2018

Ich war draußen!!!

Ich hab es tatsächlich getan. Aber der Reihe nach.

Oktober 2016. Ich sitze vor dem Smartphone und warte, wie so viele gespannt auf den Start zum Kartenvorverkauf zur neuen Helene Fischer Tournee. Oh je, werden einige jetzt vielleicht sagen, egal lest trotzdem weiter. An diesem Tag stand für mich eines fest, ich werde dorthin gehen, und ich werde, egal wie als Frau erkennbar dort hingehen. Anfangs war das nur ein Traum, nicht mehr als ein Wunsch und wenn ich ehrlich bin zu diesem Zeitpunkt für mich absolut unrealistisch. Es war eben ein Traum für mich. Nun ich entwickelte mich weiter. Der Wunsch endlich als Frau zu leben war da, war immer da nur ließ ich ihn nicht zu. Aber das Verlangen wuchs unaufhaltsam und stetig an. Es ging mir oft schlecht und ich war, und bin es auch heute noch, verzweifelt über meine Lage. Und es kam der Zeitpunkt an dem ich es  nicht mehr aushielt, weiter so zu leben wie ich es bis dahin tat. Ich hatte harte innere Kämpfe gefochten aber ich konnte nicht mehr. All das habe ich in diesem Blog beschrieben. Seit ein paar Monaten gehe ich nun ziemlich regelmäßig zu einer Therapeutin. Ich habe in dem vergangen Jahr und den letzten Monaten viel eingekauft und viel geübt, natürlich bin ich weit davon entfernt perfekt zu sein, aber dass muss ich auch für mich nicht sein. Nobody is perfect. Aber ich habe das immer nur für mich alleine getan, weiter heimlich und nur Indoor. Eine einzige Ausnahme hatte es ja gegeben, Faschingsdienstag am Abend sah mich meine Frau zum ersten und bislang einzigen Mal so, wie ich wirklich bin und sein will. Leider endete dies nicht wie erhofft und eine Wiederholung gab es bisher auch noch nicht. Die Zeit danach bis jetzt ist sehr schlimm. Viele viele Tränen flossen. Es ist eine verdammt schwere Zeit und wie das weitergehen soll steht in den Sternen. Wir wollen uns beide nicht verlieren, aber meine Frau hat mir klar gemacht, dass wenn ich als Frau leben werden, dass sie dann sich von mir trennen wird, weil sie sich ein Leben so mit mir nicht vorstellen kann, weil sie es einfach nicht kann. Und ich? Ich möchte sie nicht verlieren und möchte mich aber auch selbst nicht verlieren. Denn wenn ich aufgeben würde und so weiter lebte wie bisher, was wäre das für ein Leben. Ich kann mich nicht wieder in mich zurück stecken, so wie ich das all die vielen, zu vielen Jahre zuvor getan habe. Nun ich versuche ja nie auf zu geben. Und der Wunsch, das kleine Ziel zum Konzert als Frau zu gehen war noch immer da und es zu erreichen, ja das war die kleine Herausforderung für mich. Nun etwas war für mich, meine Frau mag zur Helene Fischer nicht mit und so hatte ich ja auch nur eine Eintrittskarte gekauft. Und da meine Frau Freitags nicht arbeitet, sondern an diesem Tag die Einkäufe erledigt und sich danach um ihre Eltern kümmert konnte ich an diesem Tag davon ausgehen, dass ich mich ungestört auf die Fahrt nach München vorbereiten könnte. Ich hatte mich lange auf dieses Ereignis vorbereitet und viel, sehr viel eingekauft. Ich habe viele Stunden vor der Arbeit damit zugebracht, mir mein Outfit zu überlegen. Ich habe lange überlegt und mich dann für einen dunkelblauen Rock, einen hellgrauen Pullover, schwarze Stümpfe, meine Stiefeletten, einer schwarzen Strickjacke und meinem Anorak entschieden. Ich habe mir auch lange überlegt, wie ich mich schminke. Es sollte ja nicht nur für das Konzert sein, nein ich wollte ja auch noch vorher in die Innenstadt von München. Also einen Mittelweg zwischen dezent und Abendveranstaltung. Probleme machten mir natürlich der schwarze Bart, der praktisch immer durchscheint. Ich habe mir zwar Camouflage Make-up besorgt, aber wenn das drauf ist wirkt das leider ziemlich Maskenhaft. Ich habe es dann mit den anderen Make-ups und Puder versucht so gut wie möglich hin zu bekommen. Lidschatten hatte ich mir am Tag zuvor auch nochmal neu gekauft, da ich leider unter tränenden Augen leide, so gegen 4 Uhr nachmittags geht das immer los und somit verläuft ein Teil des Lidschattens. Jetzt habe ich also einen einfarbigen Wasserfesten genommen.
Da ich ja hier in der Nachbarschaft noch nicht auffallen wollte, zog ich erstmal nur das an, was man unter der normalen Jeans und dem Anorak verbergen konnte. Alles andere war in Tüten verpackt und befand sich schon im Kofferraum oder wurde von mir bei der Abfahrt mit genommen. So verließ ich als das Haus nach außen hin unbemerkt in Richtung Garage. Ich ging zur Seitentür rein, schloss diese wieder ab und zog die Jeans aus und tauschte diese mit dem Rock. Statt meiner Halbschuhe zog ich nun meine Stiefeletten an. So war ich also fast fertig und fuhr in Richtung München ab. Von den Nachbarn war keiner draußen und so ging es gleich Richtung Autobahn. Etwas ungewohnt für mich war das Fahren mit den neuen Schuhen schon, da ich ja Absätze nicht gewohnt bin. Aber daran habe ich mich schnell gewöhnt. Ich verließ bald die Autobahn wieder um die Perücke aufzusetzen. Dazu suchte ich mir einen ruhigen Ort. Dort räumte ich auch das Portmonee um, macht machte auch noch die letzen Dinge damit ich bei der Ankunft in München so gut wie fertig war. Die Fahrt dorthin verlief ruhig, die Autobahn war um diese Uhrzeit relativ leer und so erreichte ich München gegen 12 Uhr. Auf dem Großparkplatz hinter dem Olympiastation angekommen überprüfte ich nochmal mein Aussehen, lackierte die Fingernägel mit einem abziehbaren Nagellack und als der nach kurzer Zeit getrocknet war stieg ich aus und zog  noch Strickjacke und Anorak an, vervollständigt noch mit einem großen Schal. So stand ich also fertig für den Rest es Tages in der strahlenden Sonne und war bereit los zu gehen. Ich schloss das Auto ab und machte mich auf den Weg durch das Olympiagelände vorbei am großen Stadion und weiter über die Olympiahalle zur nächsten U-Bahnstation. Unterwegs begegneten mir schon etliche Menschen, aber keiner nahm Notiz von mir. Ich machte ein paar Fotos vom Stadion und von mir. An der U-Bahnstation angekommen ging ich zum Fahrkartenautomaten und studierte den Aushang, da ich ja auch erstmal sehen musste, welche Fahrkarte ich brauchte. Mich sprachen dann zwei holländische Touristen an, wie das funktioniert und ich versuchte ihnen natürlich zu helfen. Sie reagierten auf meine männliche Stimme gar nicht und so bekamen wir alle die richtigen Fahrkarten. Dann gingen wir hinunter zum Bahnsteig. Nach kurzer Wartezeit kam die Bahn in die Innenstadt und ich stieg ein. Da ich lange genug gesessen war blieb ich im Eingangsbereich angelehnt stehen. Ich war natürlich nicht alleine in der Bahn, aber zu meinem Erstauen nahm niemand von mir Notiz. Auch zwei Männer, denen ich persönlich am ehesten dumme Bemerkungen zugetraut hatte interessierten sich nicht für mich. Später kamen nochmal zwei andere die in lachten und in meine Richtung deuteten, aber es stellte sich an der nächsten Haltestelle heraus, das sie Bekannte die hinter mir saßen gesehen hatten, zu denen sie dann gingen. Am Marienplatz stieg ich aus und kam wieder ins helle Sonnenlicht. Vor dem Rathaus waren viele Menschen. Alle mit sich beschäftigt. Auch hier keine komischen Blicke, gar nichts. Ich machte noch ein paar Fotos von mir, ehe ich mich auf den Weg durch die Kaufhäuser und Geschäfte Richtung Hauptbahnhof machte. Es war schon ein schönes Erlebnis so durch die Damenabteilung gehen zu können und sich alles in Ruhe anzusehen. Ganz vereinzelt sah ich schon mal, das mich jemand zweimal ansah aber das war nicht negativ oder so. Und so ging ich lächelnd durch mit erhobenem Kopf durch die Stadt. In einem Kaufhaus probierte ich Schuhe und so verging die Zeit bis ich mich wieder auf den Weg Richtung Olympiagelände machte. Dort machte ich nochmal einen Zwischenstopp in der BMW Welt und sah mir die Autos dort an. Nun auch hier wieder das gleiche, keine Reaktionen. Nur eine Asiatin sah mich einmal näher an, kurz nur aber das war es auch schon. Ich nutzte die Gelegenheit und ging dort zum zweiten Mal an diesem Tag ohne Probleme auf die Damentoilette. Ja auch das, als ob ich das schon immer so gemacht hätte. Selbst die Putzfrau sah mich nicht weiter an. Danach ging ich nochmal zum Auto. Auf dem Weg dorthin kamen mir jetzt natürlich viel Besucher des Konzertes entgegen die mich natürlich fast alle ansahen, weil ich ja die einzige war, die ihnen entgegen kam. Im Auto rasierte ich mich nochmal, und machte noch mal etwas Make-up auf den Bartbereich und ging dann zur Olympiahalle. Dort war schon eine Schlange und ich stellte mich hinten an. Die Besucher vor mir drehten sich kurz um, aber keine Reaktion weiter, auch die hinter verhielten sich ganz normal. Dann, nach ca. 20 Minuten war Einlass. Die Schlange schob sich langsam Richtung Eingang. Dort gab es wie am Flughafen erstmal eine Eingangskontrolle. Ich wurde natürlich von einer Frau abgetastet. Meine Handtasche war ein klein wenig zu groß, aber nach ihrerer Rückfrage und weil es ja wirklich nur zwei Zentimeter waren, durfte die mit rein, natürlich habe ich zuvor die Tasche noch öffnen müssen. Was die wohl gedacht hat? Es ging jedenfalls unauffällig normal und professionell zu. Und dann war ich auch schon in der Halle. Ich sah mich ein wenig um und ging dann die Treppen hinunter in den Innenraum. Eine sehr freundliche Platzanweiserin brachte mich zu meinem Sitzplatz. Dort zog ich Schal und Anorak aus und wartete auf den Beginn des Konzertes. Das dauerte noch so fast eineinhalb Stunden. Die Halle füllte sich langsam und meine Sitznachbarn begrüßten mich freundlich zunickend. Und dann endlich begann das beste Konzert, auf dem ich jemals gewesen bin. Ich sage das jetzt nicht durch die rosarote Fanbrille, nein es war wirklich so. Leider machten sich gegen Ende des Konzertes meine Füße unangenehm schmerzend bemerkbar, weil sie es nicht gewohnt sind in solchen Schuhen länger zu stehen, aber der Tag und der Abend waren es mehr als wert. Leider ging das Konzert wie immer viel zu schnell zu Ende, auch wenn dies erst um 23:30 Uhr war. Aber wenn man sich so lange darauf gefreut hat ist das leider so. Aber dennoch war ich glücklich, als ich die Halle wieder verließ und im zwischenzeitlich gefallenen Neuschnee zum Auto ging. Das musste ich nun erstmal vom Schnee befreien ehe ich wieder nach Hause fuhr. Die Fahrt dann war allerdings nicht so schön wie die hinfahrt. Das lag natürlich daran das es nochmal so viel gescheit hatte. Ab Ingolstadt war die linke Spur nicht mehr zu sehen, die mittlere war fast zu und auch die rechte war nicht mehr schön zu befahren. So ging es eben recht langsam zurück nach Nürnberg. Überholt hat außer den Flixbussen keiner mehr, für die gab es offensichtlich keine Schnee. Was auch nicht gut war, war die Tatsache dass auch ich immer müder wurde, war ich doch am Morgen gegen 4 Uhr wach geworden. Das war jetzt nicht wegen des Ausflugs, nein das ist wegen der allgemeinen Situation zuhause seit Wochen schon so. Aber dank Spurhalteassistent ging alles glatt. Weil vor mir zu viel Verkehr war, verließ ich die Autobahn eher und steuerte wieder einen ruhigen Parkplatz an. Dort zog ich mich, auch wenn ich es nicht gerne tat komplett um und verpackte wieder alles in Tüten. Ich behielt nur den Pullover und die Unterwäsche an. Dann fuhr ich die letzten Kilometer durch schönen Neuschnee nach Hause. Dort angekommen, es war 2:30 Uhr verräumte ich alle Sachen und schminkte mich ab und war dann glücklich und ein wenig stolz um 3 Uhr im Bett, wo ich auch schnell einschlief.

Mein Fazit nach diesem so wichtigen Tag für mich:

Ich habe mich getraut. Ich bin tatsächlich unter Menschen gegangen. Ich weiß nun dass ich es kann und das es geht. Ich habe keine negativen Erlebnisse erfahren müssen. Das ist für die Zukunft sicherlich wichtig für mich, denn ich weiß es wird auch anders sein. Aber ich weiß auch, und das wusste ich auch vorher schon, dass mir das Gerede anderer total egal ist. Ich bin da zum Glück total schmerzbefreit. Ich weiß natürlich nicht, ob das immer so sein wird, aber es macht mir keine Angst. Ich habe auch gemerkt, das es mit erhoben Kopf und einem Lächeln keine Schranken gibt. Und das ich in den Geschäften und bei der Einlasskontrolle ganz normal behandelt wurde.
Und was mich persönlich selbst am meisten überrascht hatte ist die Tatsache, dass ich während der gesamten Zeit kein bisschen aufgeregt war und das ich mich total normal gefühlt habe, so als ob ich noch nie anders unterwegs war. Und das war ein verdammt schönes und gutes Gefühl, von dem ich so sehr hoffe das es öfter, ab aller liebsten immer so sein wird. Das das nicht nur ein Traum bleibt sondern Realität wird, so wie aus diesem Traum auf das Konzert als Frau zu gehen Realität wurde. Auch wenn es noch ein Zeit lang dauern mag. Ich will das und ich kann das und ich werde das. Das ist mein Ziel und mein Leben. Ich kann dem nicht entkommen, ich will dem nicht entkommen weil ich eines bin - ich bin eine Frau. Daran ist nicht schlecht und nichts besonders. Aber es war, es ist und es bleibt so.









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