Sonntag, 3. November 2019

Outings in der Firma

Nachdem ich nun die Wohnung gefunden hatte und soweit alles in die richtigen Bahnen gelenkt habe wurde es an der Zeit, die Firma und die Kollegen zu informieren. Das ist gewiss kein leichter Schritt, nur was bleibt einem anderes übrig, muss man doch sein Geld verdienen. Unsereins muss ja diesen Schritt tun. Etwas eigentlich privates nach außen tragen. Es gibt andere Dinge die du haben kannst oder sein kannst, aber es kann privat bleiben, aber wenn du endlich ganz offen so leben willst, wie du bist, bleibt nur diese Möglichkeit. Ich habe mir lange Zeit keinen großen Kopf darüber gemacht, wie ich es tun würde. Klar, ich habe bei anderen gelesen oder um Rat gefragt, aber das erst kurz bevor ich es machen wollte. Nun ich bat zuerst unseren Betriebsrat um ein Gespräch. Das führten wir dann zu dritt, mit dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden und der Antidiskriminierungsbeauftragten. Es war ein sehr schönes und langes Gespräch. Die Kollegen sicherten mir Vertraulichkeit bis zur offiziellen Verkündung vor den Kollegen zu uns sicherten mir auch ihre volle Unterstützung zu. Am nächsten Tag informierte ich unseren Geschäftsführer Personal. Auch mit  ihm hatte ich ein sehr angenehmes und langes Gespräch. Auch  hier erhielt ich die volle Unterstützung. Wir vereinbarten, am nächsten Montag die Abteilungen, mit denen ich täglich persönlichen Kontakt habe zu einer Versammlung in einem größeren Raum einzuladen. Ich war nach diesem Treffen schon einmal sehr sehr erleichtert. Ein großer Teil des Druckes, der noch auf mir lag war abgefallen. Der Rest der Woche verlief ganz normal. Zuhause packte ich weiter meine Sachen und entsorgte meine alte Kleidung zu  großen Teilen. Das Wochenende verlief normal und auch in der Nacht von Sonntag auf Montag konnte ich für meine Verhältnisse gut schlafen. Dann kam der Montag. Es waren ca. 50 Kollegen eingeladen, wie ich der Einladung in unserem Mail System entnehmen konnte. Die Veranstaltung solle nach der Mittagspause sein. Eine halbe Stunde davor informierten der Personalchef und ich meinen unmittelbaren Vorgesetzten. Auch hier gab es keinerlei Probleme. Ich war schon mal sehr erleichtert. Den ganzen Vormittag rätselten die Kollegen, worum es wohl in der Versammlung gehen sollte.  Es gab die wildesten Gerüchte. Gerne hätte ich die Kollegen beruhigt, aber das ging ja nicht. Dann war es soweit. Wir gingen in den Schulungsraum. Nach und nach kamen die Kollegen, es waren ca. 40. Es war lustig zu beobachten, wie sie neugierig schauten, da ich ganz vorne mit beim Geschäftsführer war und entspannt auf einem Tisch saß. Ja, es war tatsächlich so, das ich so ruhig und entspannt wie selten zuvor war, auch wenn ich den Kollegen gegenüber treten musste. Der Geschäftsführer übernahm den ersten Teil. Er machte das wirklich sehr gut und ich merkte, dass er sich in das Thema für dass ich im einiges ausgedruckt hatte eingelesen hatte. Und dann kam ich dran. Nun es war total ruhig in dem Raum und ich fing an zu reden. Ich hatte mir nichts zurecht gelegt und machte das völlig frei. Dabei beobachtete ich auch die Kollegen. Und ich muss sagen, es tat so gut ihre Reaktionen zu sehen. Ich redete wohl so ca. 20 Minuten und am Schluss gab es viel Applaus und auch einige Umarmungen von den Kolleginnen für mich. Das tat unglaublich gut. Nun war es also endlich raus. Der große Druck war endlich weg. Ich sagte auch den Kollegen, dass ich bis Mittwoch noch als Mann in die Firma komme und nach dem Urlaub Anfang November nur noch als Frau.
Am nächsten Tag unterhielt ich mich nochmals mit den Kollegen vom Betriebsrat. Sie berichteten mir von ausschließlich positiven Reaktionen. Viele bewunderten wohl den Mut das öffentlich zu machen. Aber für mich hat das nichts mit Mut zu tun. Was anders hätte ich den tun können? Es war eine Notwendigkeit. Aber ich bin trotzdem sehr sehr froh, dass das so gut gelaufen ist und hoffe, dass das auch in Zukunft so bleibt. Die letzen drei Tage als Mann in der Arbeit liefen jedenfalls schon mal genau so wie sonst auch. Als ich dann am Mittwoch das Büro zum letzen mal als Mann verließ, hielt ich an der Bürotür kurz inne, bis ich den Schritt aus der Tür nahm. Ja es war ein seltsamer Moment, dieses letze Mal nach so langer Zeit. Aber es gibt ja einen neuen Anfang.

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